Strategisches Umdenken gefragt

CEO Christian Raith über neue Anforderungen

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veröffentlicht am 11.07.24

Konkurrenzdruck aus Asien, Probleme mit den globalen Lieferketten, Arbeitskräftemangel insbesondere in den MINT-Berufen: Christian Raith hat die Geschäftsführung der IMM Photonics in herausfordernden Zeiten übernommen. Wir sprachen mit ihm darüber, wie seine strategische Handschrift aussieht.

IMM Photonics Portrait gross CEO Christian Raith

Herr Raith, Sie sind mitten in der Corona-Krise an die Spitze von IMM Photonics gewechselt und waren dort zunächst drei Jahre lang gemeinsam mit Ihrem Vater tätig. Seit Anfang 2023 leiten Sie das Unternehmen nun als alleiniger Geschäftsführer. Was ändert sich dadurch?

Christian Raith: Eines der ersten Dinge, die ich gemeinsam mit der zweiten Führungsebene angegangen bin, war ein Strategieprozess über alle Fachbereiche hinweg. Wir haben uns gefragt: „Wie können wir das Unternehmen neu aufstellen? Wie können wir es weiterentwickeln? Sowohl nach außen als auch nach innen?“ Im Zuge dessen haben wir eine Reihe von Modernisierungsinitiativen auf den Weg gebracht, die teils bereits greifen und teils noch in der Umsetzung sind.

Welche davon sind schon heute nach außen sichtbar?

Ich denke, der wichtigste Punkt ist, dass wir die Ausrichtung verändern. Mein Vater kam ursprünglich aus der Distribution und daher stand zur Zeit meiner Eltern der Vertrieb von Standardprodukten aus den Bereichen Laser, Faser- und anderen Optiken, UV und UVC im Vordergrund, die nach Kundenbedarf angepasst wurden. Nun haben sich sowohl die Märkte als auch unser Know-how stark verändert.

Wir sind inzwischen ein Spezialist für hochintegrierte Individuallösungen und unsere Stärke liegt insbesondere in der Zusammenarbeit mit Branchen, die besonders hohe Ansprüche an Qualität und Lebensdauer haben. Wir werden uns in diese Richtung weiterentwickeln und künftig den Fokus auf noch komplexere und individuellere Lösungen legen. Als solcher Anbieter möchten wir in Zukunft verstärkt wahrgenommen werden.

Was heißt das konkret: Können Sie noch mehr zu den Produkten sagen, die Sie in Zukunft produzieren werden?

Das würde ich gerne, doch da wir stets auf einen konkreten Kundenauftrag hin neue Lösungen designen und fertigen, kann ich schwer Vorhersagen über diese zukünftigen Produkte treffen. Hinzu kommt, dass wir strengen Vertraulichkeitsvorschriften unterliegen. Was ich jedoch sagen kann, ist, wo unser Fokus liegen wird – und zwar im Bereich Life Science, also Bioanalytik, Biomedizin, und Medizintechnik. Weitere Schwerpunkte bilden Messtechnik, Gasdetektionoder Faseroptik.

Warum gerade diese Branchen?

Photonik ist heute in vielen Bereichen gefragt. Doch wo ich als Unternehmer eine Wahl habe, entscheide ich mich bevorzugt für Themenfelder, die positiv besetzt sind und dem Leben und der Nachhaltigkeit dienen. Diese Ausrichtung ist also zu einem großen Teil wertegetrieben. Daneben gibt es eine Vielzahl weiterer Gründe: So sehen wir in diesen Bereichen ganz klar unsere Stärken, da wir – wie ich bereits erwähnt habe – in der Lage sind, die hohen Qualitätsstandards, die Beständigkeit und Lebensdauer zu bieten, die von den Unternehmen hier gefragt sind. Als gelernter Bioingenieur bringe ich zudem selbst große Expertise bezüglich Medizintechnik und Bioanalytik mit. Diese Bereiche sind auch wirtschaftlich und in Hinsicht auf die Zukunftsaussichten von großem Interesse: Wir werden immer älter, ein langes Leben bei guter Gesundheit zu führen, beschäftigt uns alle. Dadurch tut sich hier ein immer größerer Bedarf auf, für den es sich einzusetzen lohnt.

Können Sie ein konkretes Beispiel für eine medizintechnische Anwendung nennen?

Sehr anschaulich ist das bei der Herzinfarktschnellerkennung im Krankenwagen. Wenn ein Verdacht auf einen Infarkt besteht, genügt bei dieser neuen Anwendung, einen Tropfen Blut in ein kleines Analysegerät zu geben. Dort wird dann ein Fluoreszenzsignal gemessen und in kürzester Zeit weiß der Sanitäter, wie hoch das Risiko ist. Im Ernstfall ruft er im Krankenhaus an, wo sofort der OP-Saal entsprechend vorbereitet wird. Das spart wertvolle Zeit und stellt eine deutliche Verbesserung für Patientinnen und Patienten und ihre Überlebenschancen dar.

IMM Photonics Bild Anwendungen Life Science DNA

Und bei der Fluoreszenz kommen Sie ins Spiel?

Genau. Wir liefern den Laser, der das anregt. Die ganze Vorrichtung baut unser Kunde, der es schon seit langer Zeit weltweit vertreibt. Insgesamt sind bestimmt über 100.000 Geräte im Einsatz. Wir liefern aber auch zum Beispiel Bauteile für MRTs oder CTs, die ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Erkennung vieler Krankheiten spielen.

Daneben unterstützen unsere Laser- und Optiklösungen auch moderne Systeme zur PCR-Massentestung, die in der Corona-Pandemie große Bedeutung bei der Einschätzung der Entwicklungen hatten. Und das sind nur einige Beispiele aus der Medizintechnik.

Nun Sie sprachen eingangs von einer ganzen Reihe von Modernisierungsinitiativen. Welche Änderungen stehen bei IMM Photonics intern an?

Ein wichtiger Faktor ist für uns, die Digitalisierung des Unternehmens voranzutreiben. Beispielsweise gilt es, die bestehenden digitalen Prozesse unserer Materialbedarfsplanung mit neuen digitalen Anwendungen wie etwa der Produktionsplanung oder dem automatischen Erfassen von Messwerten zu verknüpfen. Hier besteht zudem großes Potenzial für den Einsatz von KI, um die Hunderttausende oder Millionen von Daten, die wir dann sammeln, auch auszuwerten und sinnvoll zu nutzen. Unser erklärtes Ziel ist dabei, das Leben unserer Kunden und unserer Belegschaft zu vereinfachen. Ein mögliches Szenario besteht beispielsweise darin, die Messwerte dem jeweiligen Auftraggeber zur Verfügung stellen, sodass seine Produktion ebenfalls erleichtert wird. Unseren Mitarbeitenden kann es helfen, Fehlerquellen zu identifizieren und zu eliminieren.

Ein weiteres Herzensthema ist für mich die Nachhaltigkeit. Hier haben wir bereits in der Vergangenheit zahlreiche Weichen gestellt und arbeiten an stetigen Verbesserungen. So haben wir unseren gesamten Fuhrpark auf E-Mobilität umgestellt und treiben unsere Bewertungen auf der international anerkannten Nachhaltigkeitsplattform EcoVadis stetig voran.

Ein Problem, das insbesondere die technischen Branchen beschäftigt, ist der Fachkräftemangel in den MINT-Berufen. Wie gehen Sie damit um?

Hier sehen wir uns in der Tat einer großen Herausforderung gegenüber, die wir von zahlreichen Seiten aus angehen. Das beginnt mit der Modernisierung der Unternehmens- und Führungskultur: So setzen wir uns auf allen Ebenen für eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe ein. Wir stehen für Nahbarkeit, Partizipation und eine positive Fehlerkultur. Sehr am Herzen liegt uns, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Beruf und Privatleben leicht miteinander vereinbaren können. Daher legen wir großen Wert darauf, ihnen möglichst viel Flexibilität zu bieten. So kann in Unterschleißheim jede und jeder im Homeoffice oder im Büro in unterschiedlichsten Zeitmodellen arbeiten. Wir schaffen zahlreiche Möglichkeiten, sich einzubringen und weiterzuentwickeln. Wichtige Themen, die wir von langer Hand begleiten, sind zudem der Generationenübergang und der damit verbundene Wissenstransfer. Und last but not least werden wir unsere eigene Nachwuchsarbeit intensivieren und ab 2026 nicht nur im kaufmännischen, sondern auch im technischen Bereich ausbilden.

IMM Photonics Bild Anwendungen individuell

Zum Abschluss ein kurzer Ausblick. Wie schätzen Sie Ihre Marktchancen für die nächsten zehn Jahre ein?

Sehr gut, denn wir befinden uns in einer Branche, in der sich immer wieder Neues auftut und wir sind hier noch lange nicht am Ende. Das gesamte Segment boomt, so dass für jeden genug Marktanteil übrigbleibt. Das zeigt sich auch in der allgemeinen Stimmung, die selbst im Umgang mit der Konkurrenz äußerst harmonisch ist. Hier zählt Zusammenarbeit statt Ellenbogenmentalität. Und schließlich befinden wir uns in der dankbaren Situation Kunden zu haben, die proaktiv und innovativ neue Themen voranbringen und dabei auf IMM Photonics setzen.